„Hätten wir diesen Tag nicht erlebt, hätten wir etwas verpasst“
Eine Gruppe von Kreisjugendreferent*innen und engagierten Jugendlichen aus 5 Landkreisen beschäftigten sich einen Tag lang intensiv mit der Frage, wie Dialog und Beteiligung auf der Landkreisebene insbesondere mit der Kreispolitik konkret aussehen könnte. Motiviert wurden wir u.a. durch positive Erfahrungen mit kreisweiten Veranstaltungen im Vorfeld der Kommunal-wahl 2019 und dem Jugendlandtag Baden-Württemberg. Darüber hinaus wurde der Frage nachgegangen, wie politische Bildung im ländlichen Raum konkret aussehen sollte. Nico Berger und Tabea Kuhlmann, beide aktiv im Jugendparlament der Stadt Friedrichshafen waren mit dabei und haben den Tag wie folgt erlebt:
Kulturhaus Caserne Friedrichshafen 9:45: Es weht ein kühler Wind über den Platz, eine Tür öffnet sich und ein Mann tritt heraus. Der Mann stellt sich vor, es ist Paul. Paul ist Kreisjugend-referent. Er bittet uns herein. Wir treten in einen Raum, den wir vom Improtheater kennen und BOOM…. es haut uns beinahe um.
Alles ist anders, als wir es uns vorgestellt haben. Wir kommen in einen Raum mit einer Tischrunde. Dies sagte schon viel über den Verlauf des Think Tanks aus, da alle gleichberechtigt waren. Wir erwarteten Erwachsene, die uns anzugtragend auf Beamtendeutsch Vorträge hielten. Die anderen Teilnehmer wären bestimmt irgendwelche politisch hochengagierten Jugendlichen, die auf dem gleichen Level mit den Erwachsenen mithalten könnten. Wir würden wie die letzten Deppen dastehen, weil wir alle zwei Minuten fragen müssten, was dies und was jenes bedeuten würde. Doch es war anders, als wir gedacht hatten. Die anderen Teilnehmer, sowohl die Jugendlichen als auch die Erwachsenen waren nette Leute, die so waren wie wir auch. Das Treffen war nicht ansatzweise so versteift, wie wir vorerst dachten.
Es standen Butterbrezeln und Getränke bereit und man fühlte sich gleich wie in seinem Wohnzimmer mit Freunden. Die Produktivität litt keineswegs unter dieser Stimmung. Sie war sogar eher förderlich, da alle Vorurteile abgelegt wurden und sich viel offenere Gespräche ergaben.
„Schuld daran ist nicht nur mangelndes Interesse der Jugend an Politik, sondern auch fehlende, die Jugend ansprechende Informationsquellen“
Vielen Leuten erging das aber genauso und Schuld daran ist nicht nur mangelndes Interesse der Jugend an Politik, sondern auch fehlende, die Jugend ansprechende Informationsquellen. Dies sind die beiden großen Probleme, über die wir diskutierten.
Ersteres trägt das Problem mit sich, dass nur Interesse in Politik aufkommt, wenn man selbst durch diese betroffen ist. Man kann an der EU Urheberrechtsdebatte um Artikel 13 deutlich erkennen, dass die Jugend durchaus ihr Haus verlassen kann, und sich politisch engagiert. Viele Jugendliche bekommen aber gar nicht mit, was in der Politik so abgeht und machen daher gar nichts.
„Zuerst einmal müssen wir Betroffenheit schaffen“
Blöd, was machen wir jetzt? Zuerst einmal müssen wir Betroffenheit schaffen, und wenn ich schaffen sage, meine ich nicht erstellen, denn sie ist schon da, ich meine auf die Betroffenheit aufmerksam machen. Die Jugend weiß nicht, dass sie in der Kommunalpolitik Dinge bewirken kann. In den Nachrichten hört man neue Gesetzesentwürfe der Bundesregierung und des EU-Parlaments, aber die Kommunalpolitik geht unter, obwohl dies das Rädchen ist, an dem die Bürger am meisten bewirken können. Die Jugend muss das erkennen und wird daraufhin auch von selbst aktiv werden.
„Alles was bis jetzt versucht wurde, hat offensichtlich nicht funktioniert“
Die große Frage ist nun: Wie erreicht man die Jugend am besten? Denn alles was bis jetzt versucht wurde, hat offensichtlich nicht funktioniert. Auf Anhieb fallen einem zwei Methoden ein: Soziale Medien und Schule. Da eine große Marketingkampagne auf Facebook teuer und vermutlich auch komplett ineffizient wäre, eignet sich die Schule als Treffpunktder Jugend. Sie ist der Ort, an dem gut eingesetzte Informationsverbreitung den meisten Erfolg, im Sinne von Aufmerksamkeit, erreichen würde. Wie man das umsetzt? Unseren Möglichkeiten sind nur durch versteifte Obrigkeiten Grenzen gesetzt, die nicht die Energie aufbringen, unerfahrenen Kindern das verkomplizierte Beamtendeutsch zu übersetzen und sich auf Umdenken einzulassen. Doch dabei ist es in der Gemeindeordnung verankert, Jugendliche auf kommunaler Ebene zu beteiligen. Und nicht nur das. Die Schule muss neben der Information uns auch mündig machen, eigene Urteile fällen zu können und darauf dann Taten folgen zu lassen. Durch die Schulpflicht hat der Staat das einzigartige Organ geschaffen, wirklich alle Leute eines bestimmten Jahrgangs zu erreichen. Dann nutzt das bitte auch!
„Politische Bildung und damit Politikbefähigung ist der Grundstein für unser demokratisches Zusammenleben“
Kommunale Politik als solches ist für die aktive Lebensgestaltung und –qualität einer Siedlung unumgänglich. Betrachtet man alles jedoch von einem größeren Blickwinkel aus, kristallisiert sich eines heraus: Politische Bildung und damit Politikbefähigung ist der Grundstein für unser demokratisches Zusammenleben auf allen Ebenen und damit in einer attraktiven Jugendbeteiligung auf Kommunalebene zu initiieren!
„Es bewirkt also tatsächlich etwas, wenn man sich politisch engagiert“
Alles in allem war es ein schöner Vor- und Nachmittag, an dem wir viel gelernt haben. Der Fokus lag aber nicht nur auf dem Lernen der Jugendlichen, sondern auch der Erwachsenen. In der Politik reden Jugend und Erwachsene oft aneinander vorbei, beim Think Tank war das anders, da haben die Jugendlichen den Erwachsenen und die Erwachsenen den Jugendlichen zugehört, und sich auf ihre Gedanken und Ideen eingelassen. Zudem wurden noch Konzepte für bessere Jugendbeteiligung entwickelt, die auch den entsprechenden Behörden vorgelegt werden. Es bewirkt also tatsächlich etwas, wenn man sich politisch engagiert.
Luca Berger (16), Tabea Kuhlmann (17) beide aktiv im Jugendparlament der Stadt Friedrichshafen, Bodenseekreis