Archiv für den Monat: Februar 2015

Der 8erRat – Ein neues Beteiligungsmodell nimmt Fahrt auf!

von Erik Flügge

Es ist die wohl schönste Erfolgsgeschichte, die Udo Wenzl und ich gemeinsam erlebt haben. Vor rund einem halben Jahr entwickelten wir auf der Bodenseeinsel Mainau ein neues Modell der Jugendbeteiligung: Den 8erRat. Veröffentlicht haben wir diese Idee in einem kurzen Blogbeitrag mit dem Titel „Alternative zum Jugendgemeinderat? – Das Modell des 8erRat„. Seither steht unser Telefon nicht mehr still. Eine Kommune nach der nächsten meldet sich und will das Modell mit uns entwickeln und erproben.

Wenn Udo Wenzl und ich zur Zeit kontaktiert werden, dann geht es oft um den 8erRat. Die Berichte aus ganz unterschiedlichen Kommunen klingen dabei stets ähnlich. Im Rat gebe es einen breiten Konsens, dass man Jugendliche beteiligen will. Man habe vor ein paar Jahren sogar einen Jugendrat beschlossen und eingeführt, aber so richtig funktioniert es eben nicht. Mal fehlen die Kandidatinnen und Kandidaten, mal die Ideen im Gremium. Es bleibt unbefriedigend.

Am meisten stört die Verantwortlichen in den Kommunen, dass ein Jugendrat nur so wenige Jugendliche zu Beteiligten macht. „Da sind doch fast alle außen vor“ sagt eine Kollegin und macht ihrem Frust Luft, dass gerade die Jugendlichen mit wenig Engagementerfahrung und sozial schwächerem Elternhaus keine Chance im Jugendrat haben.

Nicht überall scheitern Jugendräte, aber sie scheitern viel zu oft, als dass man von einem Erfolgskonzept sprechen könnte. In jedem Fall beteiligt ein Jugendrat nur eine kleine Anzahl junger Menschen in einer Kommune. Das Ziel vieler Verantwortlicher ist aber, möglichst alle Jugendlichen für Demokratie und Engagement zu begeistern.

Der 8erRat wird Realität

2015 haben sich nun eine ganze Reihe Kommunen mit Udo Wenzl und mir mit meinen Kollegen von der S&N Kommunalberatung auf den Weg gemacht, den 8erRat zu entwickeln und zu erproben. In mancher Kommune sind wir in einer frühen Diskussionsphase, in der man das Modell erst einmal besprechen möchte, in anderen Städten laufen schon ganz konkrete Planungen mit Schulen, der Stadtverwaltung und der Jugendarbeit. Das Modell begeistert viele, aber es hat auch seine Hürden.

Wie gelingt uns echte Beteiligung, wenn die Teilnahme am 8erRat verpflichtend ist? Mit welcher Methodik lösen wir die Klassenrollen an zentralen Veranstaltungen mit Achtklässlern auf? Wie schaffen wir schulartübergreifende Kommunikation zwischen Schülerinnen und Schülern? Wie kann der Politikunterricht vernünftig an die Erfahrungen aus dem 8erRat anschließen? Wie setzt die Kommune Ziele und Ideen der Jugendlichen gemeinsam mit diesen um und wie kann ein Engagementanschluss für die Jugendlichen sicher gestellt werden?

Es sind eine Menge Fragen offen, aber es sind die richtigen Fragen. Denn alle diese Fragen befassen sich mit der Lösung von Problemen, die Jugendbeteiligungsverfahren seit Jahrzehnten ausblenden. Normalerweise arbeitet man mit Simulations- und Pseudoformen, wenn alle Jugendlichen etwas mitmachen sollen, oder man schließt über das „Prinzip der Freiwilligkeit“ die Desinteressierten von vornherein aus, wenn man echte Partizipation ermöglichen will. Selten operiert man mit so großen Anzahlen an jungen Menschen gleichzeitig und wenn dann nur über Wahlen und Fragebögen, aber nie, indem man jede und jeden Einzelne und Einzelnen zu echten Beteiligten macht.

Wow, ein riesen Ding und wir sind heute noch heillos überfordert. Das Tolle ist, dass der 8erRat uns und so viele unserer Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen bei der Pädagogen-Ehre gepackt hat. Wir wollen, diese Probleme lösen und nicht noch weitere Jahrzehnte aufschieben.

Unser Ziel 

Mit dem 8erRat wollen wir ein Modell entwickeln, das in vielen Kommunen funktionieren kann. Wir begreifen die Jahre 2015 – 2017 als große Modellphase, in der ganz unterschiedliche Lösungen in unterschiedlichen Städten und Gemeinden erprobt werden, so dass es nach drei Jahren ausreichend Erfahrungswissen gibt, damit auch andere diesen Weg gehen können.

Wer heute schon mutig mit seiner Stadt oder Gemeinde mit voran gehen will bei der Entwicklung des 8erRats, darf sich gerne bei uns melden. Wir freuen uns definitiv über noch viele Kommunen, die mit uns einen neuen Weg in der Beteiligung von Jugendlichen gehen wollen.

Die Zukunft der Jugend im ländlichen Raum – ein LEADER – Projekt

In Biederbach, Elzach, Gutach im Breisgau, Simonswald und Winden im Elztal wurde die Jugendbeteiligung interkommunal auf den Weg gebracht. Von Januar bis Dezember 2014 setzten sich die Jugendlichen  mit Bürgermeistern und Gemeinderäten an einen Tisch, um mit ihnen über ihr Lebensgefühl, ihre Bedürfnisse und ihre Zukunftsperspektiven zu diskutieren. Für alle Seiten eine enorme Bereicherung, so Roland Tibi, der Elzacher Rathauschef, der die Federführung des interkommunalen Projektes hatte. „Ich bin heute von dem Engagement und den Ideen begeistert, die das Beteiligungsprojekt „Die Zukunft der Jugend im ländlichen Raum“ hervorgebracht hat“, so Roland Tibi. Das Projekt wurde von Udo Wenzl begleitet und aus dem LEADER-Programm der EU finanziell gefördert.

image002Udo Wenzl im Gespräch mit Bürgermeister Roland Tibi. 

„Was war für Sie die Motivation das Projekt „Die Zukunft der Jugend im ländlichen Raum“ auf den Weg zu bringen?“

„Wir haben einen Weg gesucht, wie man als Kommune, als Bürgermeister, als Verwaltung aber auch als Gemeinderat an die jungen Menschen herankommen kann. Die jungen Menschen im oberen Elztal äußern sich nicht zu politischen Themen. Wir haben eine unpolitische Jugend, während die Erwachsenen z.B. in Elternvereinen und Senioren-Verbänden ihre Interessen artikulieren, machen das die Jungen nicht. Und daher sahen wir eine ausgezeichnete Möglichkeit mit den jungen Menschen ins kommunalpolitische Gespräch zu kommen.

„Warum wurde das Projekt von Anfang an interkommunal durchgeführt?“

„Unsere jungen Menschen sind im oberen Elztal auch interkommunal aufgestellt. Dass sich die Jugendlichen ausschließlich in ihren Ortschaften aufhalten, gibt es schon seit vielen Jahren nicht mehr. Beispielsweise gibt es über die Schulen Verbindungen über die Gemeindegrenzen hinweg, die wir natürlich aufgreifen. Im Übrigen waren wir im oberen Elztal und im Simonswäldertal Tal der Auffassung, dass dieses ein Thema ist, dass man unbedingt interkommunal angehen sollte.“

„Was war für Sie das Interessanteste im Projekt?“ 

„Für mich waren zwei Dinge sehr interessant: Zum einen konnten wir bei den Schulveranstaltungen eine große Zahl von jungen Menschen ansprechen und tatsächlich auch erreichen. Da wurden Hindernisse abgebaut, die zwischen den Jugendlichen und der Position und Funktion des Bürgermeisters standen. Wir haben tolle Gespräche geführt und echt gute, sinnvolle und interessante Anregungen erhalten, an die wir als Bürgermeister, Gemeinderäte oder Verwaltungsmitarbeiter bisher gar nicht gedacht hatten.

Das zweite war, dass auf Grund der zeitgleich stattfindenden Kommunalwahl auch sämtliche Parteien und Gruppierungen unsere Aktion „Die Zukunft der jungen Menschen im ländlichen Raum“ in ihre Arbeit mit aufgenommen und ebenfalls das Gespräch gesucht haben. Und auch dort gab es ganz interessante Begegnungen und viele Ideen, die bis heute in die Arbeit der Parteien und Gemeinderatsfraktionen eingeflossen sind.“ 

Ein Film über das LEADER –Projekt: Im Rahmen des Projekts „die Zukunft der Jugend im ländlichen Raum“ wurde eine Filmdokumentation erstellt. Der Film stellt Methoden und Vorgehensweisen vor und soll Gemeinden Appetit machen, die das Thema angehen wollen, aber noch keine klare Vorstellung über das „wie“ haben. Der Film ist über die Internetpräsenz der LEADER Aktionsgruppe Südschwarzwald zugänglich (www.leader-suedschwarzwald.de).

Wie geht es konkret im Zweitälerland weiter?

Ein Ergebnis war der „Rat der Jugend“, der jetzt ganz konkret mit neun Mitstreitern an einem Mobilitätsprojekt arbeitet. Gemeindeübergreifend wird ein Lösungskonzept für die eingeschränkte Mobilität erarbeitet, dass die Mobilitätsbedürfnisse von Jung und Alt optimal abdecken soll. Entwickelt werden hierzu ein regionales Online-Portal auf der Basis von flinc (www.flinc.org) im Zusammenwirken mit Südbadenbus. Für dieses Projekt haben die Gemeinden und der Rat der Jugend vom Verkehrsministerium Fördermittel in Höhe von rund 16.000 Euro erhalten.