Frederick Brütting ist Bürgermeister in der baden-württembergischen Kleinstadt Heubach und will sein Amt im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern seiner Stadt ausführen. Im Interview erklärt er, wie Bürgerbeteiligung auch in ärmeren Kommunen gelingen kann.
Herr Brütting, Sie sind Bürgermeister der 10.000-Einwohner Stadt Heubach in Baden-Württemberg. Bei einer Stadt dieser Größe kommen Sie mit einer Großzahl ihrer Bürgerinnen und Bürger direkt in Kontakt. Wie wichtig ist Ihnen der Dialog mit der Stadtbevölkerung?
Ich erlebe, dass es entscheidend für die Akzeptanz von kommunalpolitischen Entscheidungen ist, dass diese gut erklärt werden und man die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig einbezieht. Damit wird ein enger Kontakt zur Voraussetzung für das Gelingen von Projekten – von Großen wie von Kleinen. Insgesamt kann man sagen, dass für die meisten Projekte jeweils eine Art von Wahlkampf notwendig wird. Das Campaigning ist also nicht mehr nur auf die Zeit der Bürgermeisterwahl beschränkt. Bürgerinnen und Bürger wollen anlassbezogen überzeugt und motiviert werden.
Bürgerbeteiligungs-Skeptiker argumentieren oft, dass die meisten kommunalen Entscheidungen zu komplex sind, als dass sie von Bürgerinnen und Bürgern mitgestaltet werden könnten. Als wie informiert erleben Sie die Einwohner von Heubach?
Es ist die Aufgabe des Bürgermeisters, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären. In der Wahl der Medien muss man die jeweilige Zielgruppe im Auge haben. Ich nutze sowohl das Amtsblatt und den Stammtisch, als auch Facebook, Twitter und das Radio oder den lokalen Fernsehsender um die unterschiedlichen Milieus zu erreichen.
Heubach gehört nicht zu den reichen Kommunen, sondern muss aktuell deutliche Einschnitte hinnehmen, um den Haushalt zu sanieren. Kann Bürgerbeteiligung überhaupt gelingen, wenn es wenig zu verteilen, aber viel zu kürzen gibt?
Zu Beginn meines Wahlkampfes habe ich eine Bürgerumfrage gestartet. Die Bürger konnten verschiedenen Aufgaben unterschiedliche Prioritäten beimessen. Mit 80 Prozent Zustimmung liegt der Schuldenabbau an erster Stelle. Die Menschen wissen sehr genau, was die Stadt sich leisten kann und was nicht.
2011 wurde in Heubach eine Zukunftswerkstatt mit Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt. Damals wurden Fragen aufgeworfen wie „Was ist gut in Heubach?“, „Was muss verbessert werden?“ und „Welche Visionen haben wir?“. Wurden die Forderungen der Bürgerinnen und Bürger im Anschluss aufgegriffen und von der Verwaltung und dem Gemeinderat ernsthaft verfolgt?
Klare Antwort: Ja. Wir haben viele Forderungen umgesetzt. Zum Beispiel das Familienbüro, einen Wegweiser für Familien, mehr Zusammenarbeit unter den Vereinen, alternative Formen in der Jugendarbeit etc. Ich meine aber, dass Bürgerbeteiligung ein permanenter Prozess ist, der sich nicht nur auf eine Veranstaltung oder Werkstatt reduzieren sollte.
Die Stadt Schramberg im Schwarzwald macht gerade sehr gute Erfahrungen beim intergenerationellen Dialog zwischen Jugendlichen und Senioren, um die Stadt weiterzuentwickeln. Können Sie sich vorstellen, dass ein solcher Dialog auch in Heubach hilfreich sein kann?
Das Thema demografische Entwicklung ist das Megathema im ländlichen Raum. In Heubach wird sich die Zahl der über 80 jährigen bis 2030 verdoppeln. Dieser Dialog ist dringend notwendig. Wir werden das noch im laufenden Jahr konkret angehen. Ein erster Schritt ist bereits getan: Schülerinnen und Schüler unserer Schulen arbeiten im Rahmen einer Bildungspartnerschaft im Pflegeheim.
Sie sind 29 Jahre alt und haben sich entschieden als Bürgermeister in einer kleinen Stadt auf dem Land zu kandidieren und haben trotz starker Konkurrenz 67 Prozent der Stimmen erhalten. Was reizt Sie an der Kommunalpolitik auf dem Land?
Speziell in Heubach ist es die Verbindung einer wundervollen Landschaft mit tollen Sport- und Freizeitmöglichkeiten auf der einen Seite und einem Unterzentrum mit städtischem Charakter und einer industriellen Tradition. Außerdem spürt man hier die Auswirkungen von gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Entscheidungen sehr direkt. Das unmittelbare Feedback der Bürgerinnen und Bürger – positiv wie negativ – bringt einen auch persönlich weiter.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Erik Flügge.